Mehl ins Getriebe

Über Spinnen und Namen

2025-05-12 von Torsten_Sackmueller in Kategorie Dinkel im Winkel
Torsten_Sackmueller

Ach ja, meine Spinnenphobie.

Von meinem bequemen Schreibtischplätzchen aus schaute ich heute gedankenverloren zum Fenster hinüber. Ich hatte schon ein Stück die Außenjalousie heruntergelassen, damit die Sonne nicht so heiß ins Büro hinein scheinen möge. Der Feierabend war nicht mehr fern, die Arbeit für heute war getan und ich stellte mir vor, was ich am Abend unternehmen würde. Die Müdigkeit in den Augen ließ langsam den Blick ein wenig näher sinken, unter die Fensterbank, und da –

Oh nein, eine Spinne!

Und eine von der Sorte, die ich nun gar nicht mag. Ich habe ja nicht so sehr was gegen die winzig kleinen mit ihren kurzen Beinchen. Aber die war eine von der Sorte mit den langen Beinen. Bei Frauen mag das attraktiv wirken, doch bei Spinnen hasse ich lange Beine.

Ich muss etwas unternehmen, sagte ich mir, während eine Gänsehaut sich über der gesamten Hautoberfläche ausbreitete. Was ist, dachte ich, wenn sie morgen früh nicht mehr an der Stelle dort ist? Was ist, wenn ich sie nicht mehr sehe und nie wissen kann, wo sie womöglich unvermittelt hervorgerannt kommt? Was ist, wenn sie sich bis morgen entschlossen haben sollte, den für sie wahrscheinlich noch nicht einmal besonders beschwerlichen Weg bis auf meinen Schreibtisch einzuschlagen? Was ist, wenn sie morgen genau auf meiner Computertastatur sitzt?

Es musste etwas getan werden, das war ganz klar. Aber was?

Es gibt Reinigungsmittel im Schränkchen neben dem Spülbecken, so fiel mir ein. Und tatsächlich! Der Glasreiniger mit seinem hohen Alkoholgehalt und den Zusätzen, wie vielleicht Ammoniak oder Salmiakgeist oder wie die hübschen Namen der chemischen Mittelchen auch immer lauten mögen, erschien mir als geeignet.

Vorsichtig näherte ich mich, die Plastikflasche fest in der Hand haltend, dem Untier.

Jetzt nicht zögern! Kräftig drückte ich die Flasche zusammen, und ein Sprühstrahl schoss aus ihr hervor. Getroffen!

Doch seitens des grauenvollen Tiers keine Reaktion! Und Schuss! Und noch mal!

Jetzt schien es der Spinne endlich lästig zu werden. Sie kroch etwas weiter unter die Fensterbank, in Richtung Wand. Und Schuss!

Sie ließ sich fallen. Allein, das Krabbeln fiel ihr anscheinend nicht ganz leicht. Gut so. In dieser bangen Sekunde las ich mir schnell die Beschreibung auf der Reinigungsflasche durch. Entzündlich, stand da. Entzündlich! Das klang in meinem Geiste wie ein Zauberwort, ein Zauberspruch.

Doch was hilft ein Zauberspruch ohne den Zauberstab. Also: ein Feuerzeug musste her! In diesem Moment liebte ich alle Raucher dieser Welt und insbesondere meinen Kollegen, der Urlaub hatte und den ich gerade vertrat – denn tatsächlich hatte er ein Feuerzeug in der Schreibtischschublade zurückgelassen. Wunderbar!

Ich sprühte noch mal die wunderbare entzündliche Flüssigkeit, drehte das Rädchen am Feuerzeug voll auf, und dann …

Wusch! Eine riesige Flamme schoss aus dem kleinen Feuerzeug hervor, und ich hielt voll auf die Spinne zu.

Nur – sie wollte nicht brennen. Allein das Feuerzeug wurde entsetzlich heiß. Mir reichte es. Im Vorzimmerchen standen ja zwei Besen. Ich griff den schönen roten, schritt mutig auf die Spinne zu, die mir in diesem Moment, in ihrem zuckenden Todeskampf, während sie in der giftigen Flüssigkeit lag und die Hitze der Stichflamme sehr wohl deutlich gespürt haben mag, nun doch ein wenig leid zu tun begann; doch dann schlug ich wie in Trance zu, immer und immer wieder, um ganz sicher zu gehen, dass schließlich jedes Fünkchen Leben aus diesem Monstrum entwichen sei.

Eine sehr große Erleichterung machte sich in mir breit, und alle Anspannung fiel von mir ab. Jetzt konnte ich beruhigt Feierabend machen.

Doch ich wollte ja eigentlich über was ganz Anderes schreiben, nämlich über Namen.

Pseudonyme – also Namen, die so lauten, wie man in Wirklichkeit gar nicht heißt – gibt es, vermute ich, seit die Menschheit sprechen und lesen und schreiben kann.
Immer wieder macht es Spaß, und das nicht nur Kindern, sich eigenartige, unverwechselbare, markante Namen für sich selber auszudenken, die einen mehr oder weniger gut charakterlich beschreiben oder auch an ein bestimmtes Erlebnis erinnern mögen.
In der modernen Form – zumindest, wenn man per Computer und Internet mit seinen Mitmenschen kommuniziert – heißen Pseudonyme Nicknames. Das ist englisch und deshalb lässig – Entschuldigung, ich wollte sagen: cool.
Aber weil der moderne Mensch immer mehr Freizeit und deswegen immer weniger Zeit frei hat, so kurios und widersprüchlich das klingen mag, ist selbst der Ausdruck Nickname zu lang und damit mit viel zu viel Zeitaufwand auszusprechen oder einzutippen, sodass man jetzt nur noch Nick sagt oder schreibt. So hat man eine ganze Silbe und damit eine Trillisekunde eingespart.
Wie dem auch sei, Kunstnamen sind beliebt und meist unverwechselbarer als beispielsweise Thorsten. Selbst Torsten hebt sich da von der öden Allerweltsnamen-Buchstabensuppe kaum ab. Etwas anderes ist es da schon mit Der mit den Blumen weint (obwohl eigentlich viel zu lang) oder zorz1174 oder ?xJUNGLE!_81f.
Klingt alles abgefahren, kann sich aber kaum jemand außer dem Namensinhaber merken; na ja, und der hat wahrscheinlich auch seine Spickzettel und Notizdateien.
Doch nun zu der Frage, was mich selbst bewog, mich Kelsior zu nennen. Nun, das ist eine längere Geschichte, doch wenn man sich Mühe gibt, ist sie in Kürze erzählt. Also:
Bei einem Hautarzt schrieb eine Arzthelferin meinen Familiennamen von irgendeinem Dokument falsch ab.

Ich weiß, ich weiß, das mit der Spinne war interessanter.

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