Was ist das heutzutage für ein Schwachsinn, alles Mögliche als »gefühlt« zu bezeichnen? Das Thermometer zeigt zum Beispiel zwanzig Grad Celsius an, aber »gefühlt« sind es dreiundzwanzig oder siebzehn oder was auch immer. Sogar laut Wetternachrichten. Ja, und? Konkreter wäre es doch, zusätzlich zur Temperatur die Luftfeuchtigkeit anzugeben. Denn jeder weiß doch: Warmes Wetter plus hohe Luftfeuchtigkeit gleich puh und kaltes Wetter plus hohe Luftfeuchtigkeit gleich brr, während einem die Temperatur bei geringer Luftfeuchtigkeit gemäßigter und angenehmer vorkommt.
Und diese »gefühlte« Unsitte hat um sich gegriffen und treibt nun in allen Bereichen ihr Unwesen. Der Weg von der Bushaltestelle zum Supermarkt ist »gefühlt« mindestens, wenn nicht noch mehr. Das Kleid im Schaufenster ist »gefühlt« aber viel zu teuer. Ein Paar mag exakt siebzehn Jahre, drei Monate und fünf Tage zusammen sein, aber »gefühlt« sind es …
Niemand sagt anscheinend mehr: »Es kommt mir so vor, wie …«, »Ich habe den Eindruck, dass …« oder »Ich empfinde es, als wäre es …«. Das alles ist wahrscheinlich viel zu umständlich formuliert. Da braucht man ja »gefühlt« eine Ewigkeit, um einen einfachen Satz zu sagen.
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