Gestern ist mir beim Aufräumen ein Buch in die Hände gefallen, das ich vor einiger Zeit mal als Ausschussware von der Stadtbücherei gekauft hatte. Es heißt »Schwarzweiß 2« und handelt, wie der Titel vermuten lässt, von der Schwarzweiß-Fotografie. Leider ist nirgends ein Veröffentlichungsdatum zu finden, aber da in den Werbeanzeigen etc. die Postleitzahlen noch vierstellig sind, muss es ein recht altes Buch sein. Es wird auch nirgends die Digitalfotografie erwähnt, sondern man findet Artikel über Entwicklung, Tonung und Fotopapiere.
Nun könnte man meinen, so ein veraltetes Buch sei doch allenfalls für den Papierkorb geeignet. Das ist allerdings ein Fehlurteil. Denn erstens sind sehr schöne und interessante Fotos abgebildet und zweitens begreift man besser, dass die vielen Filter und Werkzeuge heutiger Bildbearbeitungs-Software keine Erfindung des digitalen Zeitalters sind, sondern nur die alten analogen Techniken möglichst genau zu simulieren versuchen. Und wenn ich verstehe, wie früher künstlerische Fotos in der Dunkelkammer und im Labor mithilfe der ganzen Chemikalien entstanden, kann ich auch viel besser verstehen, was der eigentliche Sinn der ganzen digitalen Werkzeuge ist.
Eine Anzeige in dem Buch fiel mir besonders auf, weil mir der Claim (damals hätte man ihn Slogan genannt) eines Fotolabors gefiel: »Zwischen Schwarz und Weiß liegen Welten«. Ja, das stimmt, denn es liegen eben ganz viele Grauabstufungen dazwischen, und diese zu handhaben erfordert schon ein gutes Auge und viel Übung. Der Kontrast muss stimmen, ohne dass die Tiefen absaufen oder die Lichter überzeichnet sind. Und die Grautöne, sollen sie neutral grau sein, warm oder kalt? Selbst wenn man das heutzutage am Computer mit etwas Geschick gut und schnell hinkriegt, heißt das ja noch lange nicht, dass der Ausdruck dann auch gut aussieht.
Jedenfalls machte mich die Anzeige neugierig, ob das damals beworbene Labor wohl auch heute noch existiert. Ja, tatsächlich! Und die Fotolaborantin, die gleichzeitig Fotografin ist, arbeitet auch heute noch analog. Auf der Website kann man lesen: »Die Künstlerin Renate Scherra überzeugt mit ihrer analogen Fotografie von 1971 bis heute und der Erstellung hochqualitativer Abzüge auf Baryt-/Museumspapier ohne Digitalbearbeitung im eigenen Labor (u. a. auch für Helmut Newton, Thomas Ruff und andere international renommierte Fotokünstler).« Ihre eigenen Fotos finde ich äußerst sehenswert. Schaut sie euch doch mal an: Fotografie Renate Scherra.
Schreib eine Antwort oder einen Kommentar