Sack mir, wo die Mühlen sind

Die vorbei gehende Frau

2010-06-22 von Torsten in Kategorie Unterwegs mit Vollkornkeks

Der Anblick einer schönen Frau kann einen heterosexuell veranlagten Mann ganz schön verrückt machen. Jedoch, meine Damen: kein Minirock, keine wallenden Haare, keine noch so glänzenden Augen wirken so heftig, so unmittelbar und so nachhaltig auf die Emotionen, Gedanken und die Libido eines Mannes wie ein aufregender Duft – zumindest in meinem Fall.

Es war schönes Wetter, ich kam aus der Innenstadt und ging die baumreiche Straße entlang, die ich so mag. Da kam mir eine Frau entgegen, die schon von Weitem mein Interesse weckte, auch wenn ich sie noch gar nicht recht erkennen konnte. Es muss wohl ihr Gang gewesen sein: selbstbewusst, sehr gerade und aufrecht, dabei aber äußerst lässig.

Dann, in dem kurzen Augenblick, als wir gerade aneinander vorbei gingen, blickten wir uns kurz an. Die Dame hatte ein sehr interessantes Gesicht, ein wenig exotisch vielleicht, dunkle Haare, glatte Haut, ovale Kopfform. Ich weiß gar nicht, ob ich ihr Gesicht wirklich als hübsch bezeichnen würde, aber da war so ein Ausdruck, der mich einfach hinriss.

Doch erst als wir schon wieder ein paar Meter voneinander entfernt waren, bemerkte ich ihren Duft. Sie trug ein süßliches Parfüm, das dabei aber völlig unaufdringlich war, leicht, nicht so was furchtbar vanille-kokos-moschusartiges, das bisweilen schon primitiv wirken kann. Nein, es muss ein sehr guter, edler, teurer Duft gewesen sein. Fast wie speziell für sie kreiert.

Und dieser Duft traf mich wie ein gewaltiger Donnerschlag. Ich drehte mich um – doch sie ging stolz und langsam ihres Wegs. »Hätten Sie nur einen kurzen Satz zu mir gesagt, mich vielleicht nach dem Weg gefragt oder mich gebeten, mit Ihnen einen Kaffee trinken zu gehen …«, dachte ich.

Und nein, es war nicht einfach nur ein sexuelles Verlangen, es war viel mehr: der Wunsch, diese Frau kennen zu lernen, sie zu erforschen, mich von ihr verzaubern zu lassen; es waren Fragen wie: »Wer bist du, wie heißt du, was denkst du, wie fühlst du, was magst du und was verabscheust du?«

Ich werde das alles nie erfahren, schätze ich. Und vielleicht ist das besser so, wer weiß. Vielleicht wäre alles ganz gewöhnlich gewesen: sie eine gewöhnliche Frau und ich ein gewöhnlicher Mann. Vielleicht hätte ich nichts Ersehntes gefunden. Keine Seelenverwandschaft. Kein Für-einander-geschaffen-sein. Keine Schwüre der ewigen Liebe und Treue. Nichts.

Vielleicht. Wer weiß.

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